Eine Gratwanderung zwischen Verbraucherschutz und wirtschaftlichen Interessen

Glücksspielwerbung ist ein emotional aufgeladenes Thema, bei dem die Interessen von Verbraucherschützern, Glücksspielanbietern und Regulierungsbehörden aufeinanderprallen. Einerseits soll die Werbung neue Kunden anziehen und Umsätze generieren, andererseits besteht die Gefahr der Spielsucht mit gravierenden Folgen für Betroffene. Die Aufsichtsbehörden sehen sich hier in einer Gratwanderung zwischen wirtschaftlicher Freiheit und Verbraucherschutz.
Die Suchtgefahren von Glücksspiel
Experten schätzen, dass bis zu 500.000 Menschen in Deutschland glücksspielsüchtig sind. Die moderne Glücksspielwerbung mit ihren GameTwist-Bonusangeboten und verlockenden Gewinnversprechen soll gezielt neue Kunden ködern. Sie erweckt den Eindruck, schnellen Reichtum erreichen zu können und verharmlost die realen Risiken.
Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt intensives Glücksspiel bei Jugendlichen und Heranwachsenden besonders leicht zu gefährlichem Spielverhalten. Auch Erwachsene mit psychischen Problemen oder finanziellen Sorgen sind stark gefährdet. Die Betroffenen setzen oft ihr gesamtes Einkommen aufs Spiel und ruinieren sich selbst und ihre Familien. Nicht selten enden Spielsuchtkarrieren in der Privatinsolvenz.
Jahr | Anzahl spielsüchtiger Menschen | Anteil Minderjähriger | Durchschnittliche Schulden |
2019 | 480.000 | 12% | 47.500€ |
2020 | 520.000 | 15% | 52.000€ |
2021 | 550.000 | 18% | 62.000€ |
Tabelle 1: Zahlen zur Glücksspielsucht in Deutschland von 2019 bis 2021. Quelle: BZgA
Die Regulierung von Glücksspielwerbung
Angesichts der Suchtgefahren und des Leids der Betroffenen und Angehörigen sehen sich die Aufsichtsbehörden zum Handeln gezwungen. Im Staatsvertrag zum Glücksspielwesen wurden bereits Einschränkungen wie Sendeverbote zu bestimmten Uhrzeiten oder für bestimmte Medien beschlossen.
Seit 2021 gelten weitere Beschränkungen: So sind Werbe-E-Mails nur mit ausdrücklicher Einwilligung erlaubt. Ferner sind irreführende Aussagen untersagt, ebenso Werbung mit fiktiven Personen oder Gewinnspielen. Auch persönlich adressierte Werbung ist jetzt verboten. Damit soll verhindert werden, dass sich Spieler durch scheinbar auf sie zugeschnittene Werbung besonders angesprochen fühlen.
Die Interessen der Glücksspielanbieter
Die Glücksspielbranche ist ein Milliardenmarkt in Deutschland. Allein 2020 wurde ein Bruttospielertrag von über 16 Milliarden Euro erzielt. Entsprechend heftig ist der Widerstand der Anbieter gegen weitere Regulierungen. Sie argumentieren, dass die positiven wirtschaftlichen Effekte der Branche mit Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen gefährdet seien.
Auch würden Kunden durch das Werbeverbot eher zu illegalen Anbietern abwandern, wo sie keinerlei Verbraucherschutz genießen. Statt Verboten fordert die Branche daher mehr Aufklärung und einen verbesserten Spielerschutz auf freiwilliger Basis.
Mögliche alternative Regulierungsansätze
Es gibt auch alternative Regulierungsansätze jenseits eines rigiden Werbeverbots, die diskutiert werden:
- Verpflichtende Hinweise zu Suchtrisiken und Beratungsangeboten in der Werbung
- Höhere Abgaben für Anbieter zur Finanzierung von Prävention und Therapie
- Verbot personalisierter Werbung und Tracking des Spielverhaltens
- Beschränkungen für Bonus- und Gratisguthaben-Angebote
- Automatische persönliche Einzahlungs- und Zeitlimits
- Unabhängige Überprüfung der Altersverifikation
- Verbot anonymer Spielformen
- Stärkere Kontrolle der illegalen Online-Angebote
Eine Kombination moderater Regulierungsvorgaben mit wirksamen technischen Schutzmaßnahmen könnte der richtige Weg für die Zukunft sein.
Fazit
Die Debatte um Glücksspielwerbung zeigt exemplarisch die Schwierigkeit, widerstreitende Interessen auszubalancieren. Strikte Verbote bergen die Gefahr wirtschaftlicher Nachteile und können Verbraucher ins Illegale treiben. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter werden jedoch dem Leid der Betroffenen nicht gerecht.
Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingt, einen Interessenausgleich zu finden, der sowohl dem Verbraucherschutz also auch berechtigten wirtschaftlichen Anliegen Rechnung trägt. Eine stärkere Regulierung erscheint unvermeidbar, sollte aber mit Augenmaß erfolgen. Nur durch einen konstruktiven Dialog aller Seiten lässt sich das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Suchtprävention dauerhaft befrieden.
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